zukunftsgerechtes Bauen #1
Ökobilanzierung
Kategorie
Kooperation
Idee, Nachhaltigkeit
Eva Friedel
Skizze Schule als Lebensraum?
Wenn sich die Ziele des guten und erfolgreichen Lernens wandeln, verändert das auch die Anforderungen an die Räume des Unterrichts. Die Umgestaltung der Bildung ist nicht nur durch die pädagogische Forschung, sondern auch durch die gegenwärtige Zunahme an Schülern und Schülerinnen bedingt: Zwischen 2010 und 2020 gab es in Hamburg etwa 25% mehr Kinder zwischen 0 und 6 Jahren. Demzufolge werden auch etwa 25% mehr Schüler und Schülerinnen bis 2030 erwartet. Als Reaktion darauf startet die Hamburger Schulbehörde ein umfassendes Schulbauprogramm für mehr und größere Schulen, in denen auch die Entwicklung des Hamburger Klassenhaustyps fällt.
Architektonisches Konzept
Da die Hamburger Klassenhäuser in der Regel in einen bestehenden Bildungscampus eingebettet werden, kann die Typenfassade entsprechend der vorgefundenen Schulidentität individualisiert werden. Das modulare System, auf dem die Fassade aufbaut, ist dabei nicht nur kosten- und zeiteffizient, sondern ermöglicht vor allem auch eine variable und einfache Herstellung des Gebäudes für die Bauunternehmen. Die Schulbauten sind konstruktionsoffen gedacht, das heißt, dass die Struktur sowohl im Massiv- als auch als Holzbau ausgeführt werden kann. Allen Klassenhausfassaden gemeinsam sind die hohen Standards an die Energieeffizienz: Um das Gebäude nicht nur in der Herstellung, sondern auch im späteren Betrieb möglichst ressourcenschonend zu planen, wird ein EG-0-Standard angestrebt.
Pikto: Fassaden/konstruktionsvarianten
Kombination aus Raummodulen
Aufgrund der hohen Nachfrage an Schulgebäuden bedarf es auf der einen Seite einer nachhaltig und platzeffizienten Gestaltung, auf der anderen Seite muss die Planung und Ausführung effizient und funktional sein. Das Planungsteam schöpft aus der Erfahrung im Schulbau und im Prozess, der durch eine funktionale Leistungsbeschreibung und Zusammenarbeit mit einem Generalunternehmer vereinfacht und beschleunigt möglich ist. Gleichzeitig sichert die dies eine gute Qualität des gebauten Werks. In der Zusammenarbeit ist aber auch das pädagogische und standortspezifische Know-How der Schulen wichtig: In einem Workshop zu Beginn des Projekts wird gemeinsam erörtert, welche Anforderungen und Wünsche es an den Schulneubau gibt. Je nach Bedarf kann die Größe des Hamburger Klassenhauses gewählt und mit unterschiedlichen Raummodulen gefüllt werden, sodass verschiedene Grade an konventionellen und neuartigen pädagogischen Konzepten möglich sind.
GIF Zunahme an Schüler/innen
Kombination aus Raummodulen
Neue pädagogische Konzepte
Was soll eine gute Schulbildung erreichen - reproduzierbares und fundiertes Wissen, handwerkliche Fertigkeiten und Fähigkeiten oder etwa einen allgemeinen Kompetenzerwerb als Fundament der Lebensgestaltung? Die OECD (PISA und die Schlüsselkompetenzen) von 2005 fokussiert den Kompetenzerwerb, welcher in der gegenwärtigen Wissensgesellschaft am wichtigsten sei. Dabei ist die neue Schulerfahrung geprägt vom selbstorganisierten Lernen, größeren Praxisanteilen, Experimentalunterricht, E-Learning, Inklusion sowie fächer- und jahrgangsübergreifende, variierende Lernangebote. Das Hamburger Klassenhaus ist auf Grundlage der Erkenntnisse in der pädagogischen Forschung entwickelt.
Diese erklärt anderen Lernziele und -inhalte haben Auswirkungen auf den Schulbau. Leitlinien sind 1. die Option des dezentralen Lernens und Zusammenkommens in unterschiedlichen Gruppengrößen, 2. die Möglichkeit, Räume hinsichtlich der Anforderungen zu kombinieren und zu anzupassen und 3., stets als Fundament dessen, die gute architektonische Qualität und technische Bedingungen (vor allem Akustik, Licht und Luft). In Hamburg ist das Ganztageskonzept im bundesweiten Vergleich besonders etabliert. Gerade, wenn der Schule zum „Lebensort“ wird, ist es wichtig, dass die Schüler und Schülerinnen sich wohlfühlen und gerne lernen und kommunizieren.
GIF Grundrissbespielung
Skizze Kompetenzerwerb
Übrigens...
Das Umdenken im Schulbau ist nicht neu: bereits Hans Scharoun hat in den 50er-Jahren mit seinen demokratischen Schulen Konzepte entwickelt, die auch heute noch zeitgemäße Ansätze beinhalten (Binnendifferenzierung, Jahrgangscluster). Laut Otto Seidel würden „[Schüler und Schülerinnen] ein Drittel ihrer Zeit im Klassenverband [lernen], ein Drittel in kleineren Gruppe, ein Drittel allein und die verbleibenden 10 Prozent werden in der Gemeinschaft der Schule oder der Jahrgangsstufe verbracht.“ Das ist kein Dogma, aber ein guter Richtungsweiser.
Schnittisomertien: Grade an Offenheit
Die Grundlage für gute Konzentration
Neben der architektonischen ist auch die Aufenthaltsqualität immer ein wesentlicher Fokuspunkt der Planung. Vor allem eine gute Belichtung und Belüftung sind elementare Faktoren für eine gute Konzentration und das Wohlbefinden der Schüler und Schülerinnen. Oft ist im Schulbestand das Lüftungskonzept unzureichend oder Räume gar zu niedrig. Das Hamburger Klassenhaus hingegen sichert über eine angemessene Raumgröße und eine Quer- und Nachtlüftung eine gute Luft- und Belichtungsqualität. Die Raumtiefe und Fenstergröße ist auf eine hohe Tageslichtversorgung ausgelegt. Mittels Lüftungselementen in der Fassade und Oberlichtern können die Klassenräume im Schulbetrieb quergelüftet werden. Nachts wird das Gebäude auf natürlichem Wege heruntergekühlt, indem die Fassadenlüfter offen bleiben. Die Bauteile im Inneren speichern die Kälte und geben diese an heißen Sommertagen nach und nach in den Raum ab. Durch die Gestaltung der Elemente entsteht jedoch keine Einbruchs- oder Vandalismusgefahr.
gute Luft durch Querlüftung mit Fensterlüftern
und Oberlichtern